Freilaufende Hunde gefährden Schafe – und die Deichsicherheit

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Redakteur
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Schäfer-Ehepaar/Paarmann/LKN.SH

(CIS-intern) – Im Bereich von Landesschutzdeichen müssen Hunde laut § 70 Landeswassergesetz an der Leine geführt werden. Da dies nach Ansicht einer Kollmarer Anwohnerinitiative an der Unterelbe immer weniger beachtet wird, hat sie hier mit Unterstützung des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) Schilder mit entsprechenden Hinweisen aufstellen lassen. Auch, um die Deichschafe zu schützen, die in zunehmender Zahl Opfer von Hundebissen werden.

„Die Schilder sind ein wichtiger Schritt“, sagen Sabine und Bernd Kröger, die in dieser Region eine 140 Hektar große Deichfläche von der Grundschule Kollmar bis zum Störsperrwerk mit rund 1000 Mutterschafen bewirtschaftet. „Und wir freuen uns sehr darüber, dass wir so toll unterstützt werden. Aber bringen sie auch was? Da sind wir skeptisch.“
Seit mehr als 20 Jahren betreibt das Ehepaar Schafhaltung, die Probleme mit Hundebesitzern seien in dieser Zeit immer größer geworden. „Viele Menschen denken, dass diese Region ein Freizeitpark ist. Und darin gehören Schafe und Schäfer zu den Attraktionen“, sagt Bernd Kröger. Allein im vergangenen Jahr wurden in Bielenberg (Hafen) acht ihrer Lämmer und zwei Mutterschafe von Hunden gerissen. „Es hat sich nur ein Besitzer dazu bekannt und uns den wirtschaftlichen Schaden ersetzt. Als wir mit der Schafzucht anfingen, ist ein gerissenes Lamm pro Jahr eine Seltenheit gewesen.“ Das Gros der Hundeattacken würden sie, so Sabine Kröger, zudem immer erst dann mitbekommen, wenn sie im Winter die Tiere von den Weideflächen treiben. „Allein im vergangenen Jahr hatten zehn unserer Schafe vernarbte Bisswunden.“

Freilaufende Hunde würden, so Sabine Kröger, nicht nur Schafe beißen und verletzten. Das Hetzen der Muttertiere sorge zudem dafür, dass diese unter Stress geraten und verlammen. „Wir verlieren an den Deichen jedes Jahr zehn Prozent des Nachwuchses“, sagt Sabine Kröger. „Das ist deutlich mehr als auf den Flächen, die wir binnendeichs bewirtschaften.“

Der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH), der für den wehrhaften und sturmflutsicheren Zustand der Landesschutzdeiche zuständig ist, arbeitet eng mit den Schäfern zusammen. Aus Sicht des LKN.SH ist die Schafgräsung unverzichtbar, weil erst mit dem Verbiss und Vertritt die Voraussetzung für kurze, dichte und widerstandsfähige Deichgrasnarben geschaffen werden. „Wir sind bei der Deichpflege auf die Schäfereien und ihre Herden, die ein wichtiger Baustein der Deichsicherheit sind, angewiesen“, sagt Birgit Matelski, Direktorin des LKN.SH. „Deshalb betrachte ich die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge. Kollmar ist dabei landesweit leider kein Einzelfall.“

Das sieht auch Frank Peters so: „Das Phänomen der nicht angeleinten, freilaufenden Hunde tritt an nahezu allen Deichen in Schleswig-Holstein auf“, sagt der Leiter der Polizeistation Glückstadt. „Es gibt mit Sicherheit Hundehaltende, die sich konsequent an die Anleinpflicht in diesem Bereich halten. Aber bei jeder gesetzlichen Regelung gibt es auch Ausnahmen.“ Hierzu, so Peters, gehören erfahrungsgemäß nicht nur die Urlaubsgäste, sondern „… auch Hundebesitzende aus dem nahen Umland und Anwohner“.

Der LKN.SH stellte die Schilder am Elbdeich auf, die Herstellung übernahm die Tischlerei Roloff aus dem nahegelegenen Obendeich – kostenlos. „Wir begrüßen als Gemeinde ausdrücklich diese Aktion“, sagt Kollmars Bürgermeister Klaus Meinert. Er erhoffe sich von dieser Aufklärungskampagne, dass sie auch die Aufmerksamkeit der Hundebesitzenden erreiche. „Deichschafe müssen geschützt werden, sie sind wichtig.“

Schilder mit ähnlichen Botschaften sind in ganz Schleswig-Holstein in Regionen angebracht, in denen Hund und Natur aufeinandertreffen. Und die Schafe seien in diesem Kontext nicht die einzigen Opfer, sagt Anne Schacht. „Der Deich wird sehr häufig als Rast- und Ruheplatz von Vögeln genutzt, sie halten sich nicht an Grenzen und Schutzzonen“, so die Nationalpark-Rangerin, die für den Nationalpark Wattenmeer auf der Insel Sylt arbeitet. „Bei Niedrigwasser fressen sie im Watt, bei Hochwasser pausieren viele auf den Deichen.“ Jene unnötige Störung würde dazu führen, dass sie wichtige Energie verlören, die sie für den Weiterflug in ihre Brut- oder Überwinterungsgebiete benötigen.

Im Listland, einem im Privatbesitz befindlichen Abschnitt der Insel Sylt, hat die Eigentümergemeinschaft mittlerweile extra eine Rangerin ein- und flächendeckend Schilder aufgestellt, die auf die Leinenpflicht hinweisen. Mit überzeugenden Ergebnissen. „Es gibt so gut wie keine Personen mehr, denen diese Pflicht unbekannt ist“, sagt Stella Kinne, die mit ihren Erfahrungen die Anwohnergemeinschaft in Kollmar unterstützt. „Auch meine dauerhafte Präsenz sorgt dafür, dass die Regeln erheblich konsequenter eingehalten werden.“ Im Listland, zu dem auch der Ellenbogen zählt, sei seit Jahresbeginn bisher lediglich ein Lamm von einem an langer Leine geführten Hund gerissen worden. Gefordert ist die kurze. „In den vergangenen Jahren waren es immer rund zehn Schafe oder Lämmer gewesen, die von Hunden verletzt oder getötet worden sind.“ Es sei auch erkennbar, dass die Schafe mittlerweile seltener gehetzt werden würden. Ähnliche Erfahrungen hat Seehundjäger Thomas Diedrichsen gemacht, dem auf Sylt im Jahr 2024 noch keine gebissenen Robben oder getötete Vögel gemeldet worden sind. „Das ist früher regelmäßig vorgekommen und durch das Anleinen erheblich eingedämmt worden.“

Das Schäfer-Ehepaar Sabine und Bernd Kröger ist zwar skeptisch, dass die neuen Schilder an der Unterelbe in Kollmar für eine Trendwende sorgen werden. „Aber es wäre auch falsch, deshalb gar nichts zu unternehmen.“ Die 57-Jährige und ihren 61-jährigen Mann bewegen allerdings schon andere Gedanken. „So wie jetzt macht es nicht mehr richtig Spaß, eigentlich sollte unser Sohn die Schafherde übernehmen“, sagt Sabine Kröger. „Aber er hat jetzt für sich entschieden, dass er sich das nicht antun will.“ Sie prophezeit, dass es dann schwierig werden könne, einen neuen Pächter für die Pflege der Elbdeiche rund um Kollmar zu finden.

Tischlerei
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